Das Ignorieren von Emotionen am Arbeitsplatz: Eine zufällige Unachtsamkeit?
- hengameh
- 4. März
- 4 Min. Lesezeit
Der wütende Chef, der frustrierte oder resignierte Mitarbeiter, der lustige Spaßvogel – wir kennen sie alle. Jeden Tag begegnen wir einer Vielzahl von Emotionen im Arbeitsumfeld. Und doch reagieren wir häufig mit einem Schulterzucken, indem wir sagen: „Ach, der ist immer so“, „Hui, wir sollten uns heute lieber verstecken“ oder „Am besten sage ich heute nichts.“ Doch was steckt hinter diesen Reflexen? Ist es nur eine zufällige Unachtsamkeit oder doch ein viel tiefer liegendes Problem?
Es ist bezeichnend, dass wir in solchen Momenten dazu neigen, Konflikte zu vermeiden und die Gefühle und deren Wirkung auf uns zu ignorieren. Die Wahrheit ist, dass dieses Verhalten nicht bloß eine beiläufige Reaktion auf „einen schlechten Tag“ ist – es ist ein Symptom einer weit verbreiteten Unternehmenskultur, die Emotionen systematisch ausblendet.
In unserer heutigen Geschäftswelt hat sich eine Unternehmenskultur etabliert, die in erster Linie auf Effizienz und Produktivität ausgerichtet ist. Geschäftsziele haben oberste Priorität, und die Mitarbeitenden sind häufig nur als „Rädchen im Getriebe“ wahrgenommen. Diese mechanistische Sichtweise übergeht die Tatsache, dass es sich bei den „Rädchen“ um Menschen handelt – Menschen mit Emotionen, Bedürfnissen und einer einzigartigen Persönlichkeit. Diese Perspektive hat zu einer beispiellosen Vernachlässigung der emotionalen Dimension im Arbeitsleben geführt.
Emotionen sind der wahre Treibstoff der Motivation.
Zahlreiche Studien belegen, dass Mitarbeitende, die sich emotional verbunden fühlen, nicht nur engagierter, sondern auch kreativer, loyaler und produktiver sind. Dem Bericht zum Engagement Index Deutschland 2023 zufolge stellt Gallup fest: „…die meisten Führungskräfte erlangen ihre Stelle aufgrund von Beschäftigungsdauer oder Erfolg in ihrer vorherigen Position. Dadurch verfügen sie über ein hohes Maß an Fachwissen in den Bereichen Prozesse, Richtlinien und Produktionsanlagen – alles wertvolle Fähigkeiten – aber nicht im Bereich Mitarbeiterführung.
Aus der letzten von Gallup in Deutschland durchgeführten Erhebung zum Thema emotionale Mitarbeiterbindung geht hervor, dass 17 % aller Mitarbeitenden eine hohe emotionale Bindung zeigen. Der Großteil (69 %) verfügt über eine geringe emotionale Bindung, 14 % sind nicht emotional gebunden. Mitarbeitende mit geringer emotionaler Bindung machen Dienst nach Vorschrift. Die Medien bezeichnen dieses Phänomen als „Quiet Quitting“. Die meisten emotional hoch gebunden Mitarbeitenden (77 %) suchen nicht nach einer neuen Stelle – das trifft jedoch in deutlich geringerem Maße auf Mitarbeitenden mit geringer emotionaler Bindung (58 %) und ohne emotionale Bindung (51 %) zu.“ (siehe Gallup, 2023, Link: Bericht zum Engagement Index Deutschland 2023 Deutschland – Gallup)
Ein Artikel in der Harvard Business Review mit dem Titel „Manage Your Emotional Culture“ (2016) von Sigal Barsade und Olivia (Mandy) O’Neill bringt das Thema treffend auf den Punkt: die Unternehmenskultur wird oft nur auf die kognitive Ebene bezogen – also Werte, Normen und Regeln, die das Denken und Verhalten der Mitarbeiter:innen steuern. Doch ebenso wichtig ist die emotionale Kultur, die bestimmt, welche Emotionen am Arbeitsplatz gezeigt oder unterdrückt werden. Obwohl Emotionen nachweislich die Leistung, Zusammenarbeit und das Engagement der Mitarbeiter:innen beeinflussen, wird die emotionale Kultur oft vernachlässigt oder gar nicht bewusst gesteuert.
Dies kann zu negativen Auswirkungen führen, wie Gleichgültigkeit in Pflegeberufen oder Rücksichtslosigkeit in risikoreichen Branchen. Weiters wird beschrieben, dass jede Organisation eine emotionale Kultur innehat – selbst, wenn sie aus Unterdrückung besteht. Führungskräfte sollten aktiv darauf achten, Emotionen nicht nur zuzulassen, sondern bewusst zu gestalten, um Mitarbeitende zu motivieren und Unternehmensziele besser zu erreichen. Altbewährte Annahmen, etwa dass Konkurrenz mit Mitarbeitenden zu Höchstleistungen antreibt, prägen die Unternehmenskultur oft stärker als sichtbare Elemente. Sie können produktiven Wettbewerb fördern, aber auch Misstrauen und fehlende Zusammenarbeit erzeugen.
Fazit: Wir sind einer Meinung! Die emotionale Kultur eines Unternehmens ist entscheidend für dessen Erfolg. Führungskräfte sollten sie bewusst wahrnehmen, steuern und in die Unternehmensstrategie integrieren.
Doch welche Ziele können Führungskräfte gemeinsam mit ihren Teams verfolgen, um eine bewusste und konstruktive emotionale Kultur zu fördern?
Emotionale Kultur strategisch verankern und aktiv in Unternehmensentscheidungen einbinden (auch als Teil einer ESG-Strategie)
Vielfalt und Bedeutung von Emotionen erkennen und im Arbeitsalltag berücksichtigen
Achtsamkeit und Akzeptanz fördern, um einen bewussten und wertschätzenden Umgang mit eigenen und fremden Emotionen zu ermöglichen
Emotionale Ausdrucksfähigkeit stärken, indem bewusstes Erleben und verbale Kommunikation von Emotionen am Arbeitsplatz unterstützt werden
Erlebnisvermeidung reduzieren, um emotionale Herausforderungen nicht zu verdrängen, sondern konstruktiv zu bewältigen
Emotionsregulationsstrategien verbessern, um mit positiven und negativen Gefühlen souverän umzugehen
Emotionswissen erweitern, um deren Einfluss auf Denken, Verhalten und Zusammenarbeit besser zu verstehen
Selbstreflexion fördern, indem biografische Erfahrungen analysiert und emotionale Muster erkannt werden
Emotionale Reaktionen gezielt weiterentwickeln, indem neue emotionale Erfahrungen bewusst zugelassen und verarbeitet werden
Du bist bereit, neben der kognitiven auch deine emotionale Unternehmenskultur zu stärken? Wir begleiten dich auf diesem Weg – mit praxisnahen Strategien, individuellen Lösungen und gezielten Maßnahmen für ein authentisches und erfolgreiches Arbeitsumfeld. Lass uns gemeinsam den ersten Schritt machen!
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Quellen:
Havard Business Review (2016): Manage Your Emotional Culture
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